Wie kompliziert darf eine Aktienstrategie sein?

Werfen wir einen Blick auf unterschiedliche Aktienstrategien, lässt sich feststellen, dass die Komplexität bei der Auswahl der Einzelaktien, bzw. der Kauf- und Verkaufssignale, sehr unterschiedlich ist.

Die Fragestellung, die wir in diesem Beitrag behandeln wollen, lautet: “Lohnt es sich, Strategien mit einer Vielzahl von Parametern einzusetzen, oder können wir uns den Aufwand sparen?”.

Wir wollen uns der Antwort anhand theoretischer und praktischer Überlegungen nähern.

Das Bavelas-Experiment

Mit dieser Aufgabenstellung befasste sich auch James P. O’Shaugnessy in seinem Buch “What works on Wall Street” (siehe auch Buchlinks). Dazu stellte er ein Experiment von Prof. Alex Bavelas aus den 1950er Jahren vor:

Zwei Personen, nennen wir sie Anna und Bernd, wurden Bilder von Zellen gezeigt. Sie sollten lernen zu erkennen, ob die Zellen krank oder gesund sind. Dazu hatten sie zwei Taster vor sich, mit der sie ihre Auswahl trafen. Im Anschluss erhielten sie die Rückmeldung “richtig” oder “falsch” auf ihre Eingabe.
Der Clou des Experiments lag nun darin, dass Anna die korrekte Antwort erhielt, während bei Bernd ein Zufallsgenerator ohne Bezug zum Wahrheitsgehalt “richtig” oder “falsch” ausgab.
Da Anna das richtige Feedback erhielt, wurden ihre Antworten schnell besser und mit der Zeit erzielte sie eine hohe Trefferquote. Wenig überraschend konnte Bernd seine Performance nicht verbessern und sein Ergebnis lag um den Zufallsbereich von 50 Prozent.
Soweit also keine große Überraschung, denn diese sollte erst im nächsten Schritt folgen. Anna und Bernd wurden zusammengeführt, um die Regeln vorzustellen, nach denen sie ihre Entscheidungen getroffen hatten, und über die Resultate zu diskutieren.
Zuerst stellte Anna ihre Regeln vor, die einfach und konkret waren. Danach war Bernd an der Reihe, der äußerst komplexe Regeln mit einer Vielzahl von Parametern vorstellte.
Die Pointe bei der anschließenden Diskussion war, dass sowohl Anna als auch Bernd überzeugt waren, dass Bernds Regeln korrekt sein müssten, da sie ja viel mehr Elemente berücksichtigten.
Das Experiment wurde mit anderen Zweigruppen vielfach mit demselben Resultat wiederholt.

Ockhams Rasiermesser

Wilhelm von Ockham, seines Zeichens Franziskanermönch und Philosoph, entwickelte bereits im 14.Jahrhundert sein Sparsamkeitsprinzip, das als “Ockhams Rasiermesser” bekannt wurde.
Sinngemäß lautet die Aussage: Von mehreren möglichen hinreichenden Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.

Ein Beispiel gefällig?
Angenommen Sie laufen in der Mittagspause mit Kollegen zu einem Imbiss, um etwas zu essen. Auf dem Weg zum Imbiss sehen Sie Kinder auf der Straße Fußball spielen. Als Sie zurücklaufen, sind die Kinder verschwunden und eine Fensterscheibe des Hauses vor dem sie gespielt haben ist zerbrochen.
Der eine Kollege geht davon aus, dass die Kinder die Scheibe mit dem Ball eingeschossen haben. Der andere Kollege meint, dass ein Meteorit aufgetaucht sein müsste, in der Luft explodiert ist und die Druckwelle die Scheibe eingedrückt hat.
Während beim ersten Mitarbeiter nur die Bedingung erfüllt sein müsste, dass der Ball aus Versehen auf das Fenster geschossen wurde, müsste beim anderen ein Meteorit aufgetaucht sein, der genau die Zusammensetzung und Masse hatte, dass er in der Luft explodierte. Nicht zuletzt müsste die Druckwelle dann genau die Stärke gehabt haben, dass nur das eine Fenster dadurch betroffen wurde.

Ein Blick auf die virtuellen Depots

Wenn wir die Gesamtperformance der virtuellen Depots betrachten, finden wir am unteren Ende die Low-1 Strategie. Die katastrophale Bilanz dieses Depots liegt zum einen an der fehlenden Diversifikation, zum anderen an der Tatsache, dass die hohe Dividendenrendite oft dem starken Kursrückgang und nicht dem hohen, freien Cash Flow geschuldet war.
Die zweitschwächste Strategie ist der “Einfache, innerer Wert”. Dessen schlechtes Abschneiden möchte ich künftig in einem separaten Beitrag analysieren.
Danach finden wir das Value Depot “Feste Kriterien”. Hier finden wir ein Paradebeispiel von einer Strategie mit vielen Parametern, aber ohne Mehrwert (-19,7% in zehn Jahren). Natürlich können Sie jetzt erwidern, dass ich schlicht und ergreifend die falschen Parameter für die Auswahl herangezogen habe. Ein berechtigtes Argument, das der Wahrheit nahe kommen dürfte. Aber selbst wenn die Strategie mit anderen Kennzahlen besser  performen würde, würde es nur Sinn machen, den Ansatz weiter zu verfolgen, wenn das Resultat dann besser wäre als die einfach gestrickten Trendfolge und Relative-Stärke Strategien.

Oder das Ganze mit den Worten von Albert Einstein ausgedrückt: “Man soll die Dinge so einfach wie möglich machen, aber nicht noch einfacher.”

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