Value Investing ist eine Anlagestrategie, die in den frühen 1930er Jahren von Benjamin Graham entwickelt wurde.
Die Definition des Value Investing ist eng mit Auslegung des Begriffes der “Anlage” verknüpft.
In seinem Buch “Security Analysis” aus dem Jahre 1934 geht Graham auf den Unterschied zwischen einer Anlage und einer Spekulation ein:
“Eine Anlage ist eine Investition, die aufgrund einer Analyse für das Anlageobjekt Sicherheit verspricht sowie eine angemessene Rendite zusichert. Alle anderen Konzeptionen müssen als spekulatives Engagement angesehen werden.”
Was verbirgt sich hinter der Aussage? Lassen Sie uns den Inhalt einer genaueren Betrachtung unterziehen:
- “aufgrund einer Analyse” – Benjamin Graham fordert auch beim Erwerb von wenigen Aktien oder Anleihen, eine Analyse des betreffenden Unternehmens durchzuführen, als ob der Anleger die Firma komplett zu kaufen gedenke.
- “Sicherheit sowie eine angemessene Rendite” – was im Zusammenhang zu sehen ist.
Damit ein Wertpapier für einen Value Investor in Frage kommt, müssen eine Reihe von Kriterien bezüglich Kennzahlen wie z.B. KGV, KBV, Eigenkapital und Verschuldungsgrad, bezüglich Unternehmensgröße, Geschäftmodell, Produkten und Management etc. erfüllt sein.
Letztendlich muss der innere Wert (errechneter Wert) deutlich unterhalb des Kurswertes liegen. - “Alle anderen Konzeptionen … spekulativ …” – Ein renommiertes,solides, gut geführtes und profitables Unternehmen ist nicht zwangsläufig ein Anlageobjekt für den Value Investor. Dazu muss das Unternehmen auch mit Preisabschlag zum inneren Wert gehandelt werden.
Grundannahme des Value Investing ist, dass die Märkte ineffizient sind. Um den Begriff des ineffizienten Marktes zu erklären, wenden wir uns der Definition der effizienten Märkte zu.
Die Theorie der effizienten Märkte
Der Wirtschaftswissenschaftler Eugene Fama stellte 1970 die Effizienzmarkthypothese (Efficient Market Hypothesis – EMH) vor. In einem effizienten Markt sind alle vorhandenen Informationen bereits in den Kursen enthalten. Das hat zur Folge, dass weder durch Technische Analyse, Fundamentalanalyse noch durch eine beliebige, andere Art von Analyse eine dauerhafte Überrendite gegenüber dem Gesamtmarkt erzielt werden kann, da der aktuelle Kurs immer dem inneren Wert entspricht.
Kritiker führen in erster Linie auf, dass sich in effizienten Märkten keine (Spekulations-)Blasen bilden dürften. Beispielsweise konnte ein Value Investor vor dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahre 2000 feststellen, dass die Kurswerte des Großteils der börsennotierten Unternehmen dem inneren Wert weit vorausgeeilt waren. So war die Entwicklung des Value Investing durch Benjamin Graham eine direkte Folge der Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929.
Kommen wir zu der Ausgangsstellung zurück, dass für einen Value Investor die Märkte ineffizient sind. Das hat zur Folge, dass der Aktienkurs eines Unternehmens, welches einen inneren Wert von 100 € hat, auf 130 € steigen kann. Selbst von diesem hohen Niveau aus kann die Aktie noch weiter steigen. Aber irgendwann wird die Überbewertung offensichtlich und der Kurs nähert sich dem inneren Wert an.
Umgekehrt kann die obige Aktie auch unter dem inneren Wert gehandelt werden. Fällt der Kurs auf 70 €, wird das Unternehmen für den Value Investor interessant, der mit einer Sicherheitsmarge von 30% arbeitet.
Die Höhe der Sicherheitmarge kann sich von Anleger zu Anleger unterscheiden, bzw. ein Anleger kann bei unterschiedlichen Firmengrößen oder unterschiedlichen Branchen mit differenzierten Sicherheitsabschlägen arbeiten.
Vor- und Nachteile des Value Investing
Vorteile:
- Es ist möglich, eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen.
- Minimiertes Risiko durch die Sicherheitsmarge bei einem diversifizierten Depot (nicht alles auf eine Karte setzen).
- Value Investing ist keine Modeerscheinung, sondern eine bewährte Methode.
Nachteile:
- Die Umsetzung der Strategie ist zeitaufwändig.
- Zur Umsetzung müssen gewisse Kenntnisse über die Fundamentalanalyse vorhanden sein oder erworben werden.
- Zur Ermittlung des inneren Werts müssen Schätzungen über zukünftige Entwicklungen getroffen werden. Dabei wußte schon Mark Twain:”Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.”
- Die Strategie erfordert eine längerfristige Anlagedauer. Bis sich der Kurs dem inneren Wert annähert können u.U. Jahre vergehen.
- Während beispielsweise bei der Dividendenstrategie “Dogs of the Dow” eine feste Handlungsanweisung vorgegeben wird, die Emotionen ausschließt, muss der Value Anleger einen Weg finden, objektiv zu agieren.
Fazit:
Value Investing ist für den erfahrenen Anleger, der bereit ist Zeit aufzuwenden, eine sehr effektive Anlageform.
Wer vom Konzept überzeugt ist, aber nicht die Zeit oder die Kenntnisse zur Umsetzung hat, findet die Möglichkeit in entsprechende Fonds zu investieren oder auf professionelle Dienstleistungen zurückzugreifen.
Wie geht es weiter:
Diese Thematik ist zu umfangreich, um sie in einem Artikel zu erschlagen. Deswegen soll im weiteren Verlauf die Überprüfung von Aktien anhand von Kennzahlen und Eigenschaften der Unternehmen vorgestellt werden. Dabei wird auch eine einfache Formel von Benjamin Graham zur Ermittlung des inneren Wertes erläutert.
Weiter werden wir uns mit dem CROCI-Verfahren (von der Deutschen Bank entwickelt) in einer einfachen und der ausführlichen Variante beschäftigen.
Von ausgewählten Werten werden wir den inneren Wert mit der Discounted-CashFlow-Methode ermitteln. Außerdem werden für den Januar verschiedene Depot der einzelnen Verfahren zusammengestellt, um die zukünftige Entwicklung verfolgen zu können.