Vermutlich träumen alle Anleger den selben Traum: zu Höchstkursen am Ende eines Bullenmarktes auszusteigen und zu Tiefstkursen am Ende einer Baisse wieder einzusteigen.
Ein einfacher Vergleich zeigt den Grund für diesen Traum auf:
Wäre ein Anleger am 01.08.1991 mit 10.000 € (den es zu dem Zeitpunkt noch nicht gab, aber ob wir mit 19.558 DM beginnen oder mit 10.000 € ändert nichts am Ergebnis) in DAX-Zertifikate eingestiegen und hätte sie durchgehend gehalten, so dürfte er sich ohne Gebühren zum 17.07.2017 auf eine Summe von 74.525 € freuen. Das ist ein Zuwachs von 645% oder 8,03% jährlich.
Hätte der Anleger im gleichen Zeitraum während der 7 Bärenmärkte immer zum perfekten Zeitpunkt ver- und gekauft, würde sich sein Depotwert heute auf 2.225.832 € belaufen. Ein unglaubliches Plus von 22.158% oder 23,11% jährlich.
Investorlegenden wie Warren Buffett und Peter Lynch geben unverblümt zu, dass sie Bärenmärkte nicht prognostizieren können.
Wollen wir uns nun anmaßen, mehr Ahnung vom Aktienmarkt zu haben? -Sicherlich nicht!
Deren Aussage bezieht sich nur darauf, dass sie beispielsweise nicht wissen können, dass eine Baisse ab November 2017 kommen wird. Was die Herren aber sicherlich tun werden, ist, den Markt beobachten und gegebenenfalls auf bestimmte Situationen zu reagieren.
Nicht mehr und nicht weniger wollen auch wir tun, frei nach dem Motto: “Gewarnt sein, heisst gewappnet sein”.
Leider müssen wir uns dabei aber auch von der Hoffnung auf das perfekte Timing verabschieden. Wir können nur reagieren, d.h. mit zeitlichem Versatz agieren. Dabei gilt immer:
- Reagieren wir schnell, erhöht sich die Zahl der Fehlsignale.
- Wollen wir die Zahl der Fehlsignale verringern, erfolgt unsere Reaktion entsprechend später.
Das klingt erst einmal nach einer Situation, in der wir nur verlieren können. Aber wie wir bei den Untersuchungen zur 200-Tage-Linen Strategie gesehen haben, und wie wir bei den nächsten Artikeln über verschiedene RSI-Strategien sehen werden, gibt es durchaus qualitative Unterschiede, die einen deutlichen Mehrwert gegenüber einer reinen “Buy-and Hold”-Strategie liefern können.
Unterscheidung der Bärenmärkte
Nicht jede Baisse hat ihren Ursprung aus den gleichen Gründen. Je nach Ursache müssen aber unterschiedliche Kriterien überprüft werden. Deshalb sollen vorab drei unterschiedliche Hintergründe dargelegt werden:
- Überbewertung (Blasenbildung)
Bestes Beispiel war das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Der DAX-KGV lag teilweise bei über 30, für Technologiewerte noch deutlich höher.
Eine Überbewertung lässt sich anhand des KGV, des KBV und/oder des Abstandes zur 200-Tage-Linie relativ gut erkennen. Das Problem betrifft eher das Timing. So können die Börsen nach Identifizierung einer Blase noch deutlich weiter steigen, ehe der Kurssturz folgt. - Rezession / sinkende Gewinne
Letztendlich geht dieser Punkt in eine ähnliche Richtung wie die erste Aussage, denn sinken die Unternehmensgewinne, so würde sich bei gleichbleibendem Marktwert eine Überbewertung ergeben. Der Unterschied liegt somit im Zeitpunkt:
Während bei der Blase die Überbewertung bereits erfolgt ist, sind bei sinkenden Unternehmensgewinnen fallende Kurse die Folge der erwarteten, zukünftigen Ergebnisse.
Als Beispiel dient hier die Finanzkrise, die der Wirtschaft die Liquidität entzog. Dadurch wurden Investitionen zurückgestellt, die Produktion sank, was zu höherer Arbeitslosigkeit führte. Damit stand auch weniger Geld für den Konsum zur Verfügung …
Auch deutliche Zinserhöhungen könnten auf die Unternehmensgewinne drücken. Zusätzlich würde der Anreiz für Aktien sinken, da Anleihen im Gegenzug attraktiver werden würden. - Äußere Faktoren
Darunter sind Gründe wie Krieg, Terrorismus, politische Entscheidungen u.ä. zu verstehen, die einerseits tatsächliche, wirtschaftliche Auswirkungen haben können, andererseits aber auch nur psychologische Wirkung entfalten können.
Die verwendeten Kriterien
Im Moment werden acht übergeordnete Gruppen vorgestellt, die teilweise noch in Untergruppen unterteilt sind.
Dabei muss es sich noch nicht um die endgültige Zusammenstellung handeln. Sollte ich noch sinnvolle Kriterien entdecken, so werden diese nachträglich aufgenommen. Falls der ein oder andere Leser noch Vorschläge unterbreiten könnte, wäre ich sehr erfreut.
Hier nun die Vorstellung und Erläuterung:
1. Technische Indikatoren
- DAX 200-Tage-Linien Strategie mit der 3%-Regel wie <<hier>> erläutert.
- RSI 30-Tage Indikator mit Ausstiegssignal bei Überschreiten der 70%-Marke und Einstiegssignal bei Unterschreiten der 30%-Marke.
Der RSI (Relative-Stärke-Index) ist ein von Welles Wilder entwickelter oszillierender Indikator.
Wie und warum dieser Indikator verwendet wird, soll in einem der folgenden Artikel erläutert werden. - 15%-Regel (max. Drawdown) wie beim Artikel “Bärenmarkt – Ein- und Ausstiegssignale ermitteln” unter Punkt 11 vorgestellt.
2. Börsenbarometer
- Börsenbarometer nach Uwe Lang in der alten Version wie bei der “Kombinierten Methode” eingesetzt und erläutert.
- Börsenbarometer nach Uwe Lang in der neuen Version mit mehr Parametern.
- Börsenklimabarometer nach Ralf Goerke wie unter “www.momentumstrategie.de” vorgestellt.
3. Zinsstrukturkurve Bundeswertpapiere
Üblicherweise ist der Zinssatz umso höher je länger die Laufzeit ist. Bewegen sich die Zinssätze unterschiedlicher Laufzeiten auf dem selben Niveau oder bildet sich eine inverse Zinskurve (d.h. Zinsen für kurze Laufzeiten sind höher als die von längeren Laufzeiten), so kann dies als Warnzeichen gesehen werden.
Im nachfolgenden Diagramm ist schön das zusammenlaufen der Zinssätze in den Jahren 2000, sowie 2007/2008 zu erkennen.
4. Bruttosozialprodukt Deutschland
Fällt das inflationsbereinigte Bruttosozialprodukt in 2 aufeinanderfolgenden Quartalen gegenüber dem jeweiligen Vorquartal wird von einer Rezession gesprochen.
Zur Überprüfung werden die preis-, saison- und kalenderbereinigten Werte des statistischen Bundesamtes verwendet.
5. Sentiment-Indikatoren
- Low-Risk-Indikator wie beim Low-Risk-Index Depot verwendet.
Fällt die durchschnittliche Volatilität der DAX-Werte in einem Zeitraum von 4 Wochen um mehr als 1% wird ein Verkaufssignal ausgelöst. - VDAX New
Der VDAX New gibt die implizite Volatilität des DAX wieder. Er wird auch häufig als Angstbarometer bezeichnet, da ein hoher Wert die Befürchtung der Marktteilnehmer auf unruhige Zeiten signalisiert.
Leider lassen sich die Signale nicht empirisch festlegen, sondern sie müssen subjektiv aus dem Chartbild heraus ermittlet werden. Ein Ausbruch nach oben aus einer längeren Phase tiefer Volatilität wird als Verkaufssignal interpretiert, ein entsprechender Ausbruch nach unten als Kaufsignal. - VIX
Der VIX ist das Pendant zum VDAX New für den US-amerikanischen S&P500 Index. Entsprechend gilt für die Auswertung gleiches wie beim VDAX New.
6. Wirtschafts-Indikatoren
- ifo-Geschäftsklimaindex
Für diesen Frühindikator werden rund 7000 Unternehmen einmal im Monat nach der aktuellen Geschäftslage und den Aussichten für die kommenden 6 Monate befragt.
Werte über 100 werden als Kaufsignale, Werte unter 100 als Verkaufssignale definiert. Allerdings sind auch über mehrere Monate kontinuierlich fallende Werte als Alarmzeichen zu werten. - ZEW-Konjunkturerwartungen
Hier werden bis zu 300 Experten ausgewählter Großunternehmen zur künftigen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland befragt.
Werte über 0 werden als Kaufsignale, Werte unter 0 als Verkaufssignale definiert. - GfK-Konsumklimaindex
Hier werden ca. 2000 repräsentativ ausgewählte Haushalte befragt. Wir werden uns hier auf das Konsumklima konzentrieren (es werden noch weitere Daten wie Konjunktur- und Einkommenserwartungen ausgewertet).
Die Auswertung ist nicht ganz so trivial wie bei den vorhergehenden Indikatoren. Ein Wert unter 0 ist definitiv ein Verkaufssignal, aber auch 4 Monate hintereinander fallende Werte oder ein Absinken um mehr als 4 Punkte innerhalb 6 Monaten führt zu einem Verkaufssignal. Kaufsignale sind zum einen ein Anstieg von unter 0 auf 1 Punkt oder höher, 4 Monate in Folge steigende Werte, bzw. ein Anstieg um mehr als 4 Punkte innerhalb von 6 Monaten. - Markit Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe (Deutschland)
Für den Einkaufmanagerindex werden Einkaufsleiter und Geschäftsführer mehrerer Hundert repräsentativ ausgewählter deutscher Unternehmen des verarbeiteten Gewerbes befragt.
Werte über 50 werden als Kaufsignale, Werte unter 50 als Verkaufssignale definiert. - Auftragseingangsindex (Deutschland)
Der Auftragseingang umfasst den Wert (ohne Umsatzsteuer) aller im jeweiligen Berichtsmonat von den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes fest akzeptierten Aufträge auf Lieferung selbst hergestellter (oder in Lohnarbeit gefertigter) Erzeugnisse.
Werte über 50 werden als Kaufsignale, Werte unter 50 als Verkaufssignale definiert.
7. KGV/KBV-Indikatoren
- DAX-KGV
Laut Wikipedia liegt das historische Mittel (1980-2002) bei 14,6 (1932-2002 bei 14,7).
Obwohl es Phasen mit deutlichen Ausreißern nach oben und unten gab, soll dies als Basis verwendet werden.
Ein DAX-KGV größer als 15 liefert ein Verkaufssignal, geht der Wert unter 14 zurück erfolgt ein Kaufsignal. - DAX-KBV
Ein DAX-KBV um 1,5 gilt als gemäßigt. Somit soll ein Verkaufssignal bei einem Wert größer 2 erfolgen, der Wiedereinstieg bei Werten von 1,5 oder tiefer. - Shiller-KGV S&P500
Das Shiller-KGV ist ein über 10 Jahre geglättete und inflationsbereinigte Variante des KGV.
Da mehr oder weniger regelmäßige Zahlen dazu nur für den S&P500 zugänglich sind, wird der entsprechende Index verwendet.
Die Interpretation ist nicht ganz klar geregelt. Wir werden einen Wert größer als 25 als Verkaufssignal
interpretieren, ein Wert unter 24 führt zum Kaufsignal.
8. Externe Faktoren
Hier sollen aktuelle Faktoren aufgeführt werden, die die Aktienkurse negativ beeinflussen können,
wie oben unter “Äußere Faktoren” definiert.
Die Übersicht der Auswertung und weitere Informationen finden Sie unter <<Börsensignale>>.
4 Kommentare
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Ein sehr informativer Artikel mit wichtigen Gesichtspunkten, die man unbedingt beachten sollte.
Autor
Herzlichen Dank für die positive Bewertung des Artikels.
Mein Glückwunsch zu der schön aufgemachten, informativen und übersichtlichen Seite.
Ein zusätzlicher guter Indikator als weitere Bestätigung zur 200 – Tage – Linie m. E. ist auch die Richtung (abnehmend / zunehmend) und Steigerungsrate der amerikanischen Wertpapierkredite (Nyse Margin Debt).
Nach sieben Monate Dümpeln und entsprechender Ungewißheit ist der deutliche Zuwachs beim November – Wert eine Bestätigung für die vorläufige Fortsetzung der aktuellen Hausse in Amerika.
http://www.nyxdata.com/nysedata/asp/factbook/viewer_edition.asp?mode=table&key=3153&category=8
https://www.advisorperspectives.com/dshort/updates/2017/12/27/a-look-at-nyse-margin-debt-and-the-market
Ich weiß, daß sich diese Seite hauptsächlich mit den deutschen Markt befaßt.
Die amerikanische Börse ist jedoch weiterhin Weltleitbörse und einer Krise dort wird sich kaum eine Börse der westlichen Welt entziehen können.
Autor
Danke für die Informationen.
Der NYSE Margin Debt und dessen Verwendung als Indikator war mir bisher unbekannt. Ich konnte im Augenblick nur einen kurzen Blick darauf werfen, es sieht aber durchaus vielversprechend aus. Demnächst werde ich mich intensiver damit befassen.
Bei Backtests zur 200-Tage-Linien-Strategie habe ich auch die 200-Tage-Linie richtungsabhängig untersucht. Im untersuchten Zeitraum (Januar 2007 bis Oktober 2014) schnitt die richtungsunabhängige Variante mit der 3%-Toleranz besser ab. Wie weit dies generell aussagekräftig ist, kann ich nicht definitiv beurteilen.