Sell-in-Summer – pausieren im Sommer, aber wann?

Sell in May and go away, but remember to come back in September“, lautet eine alte Börsenweisheit. Also im Mai verkaufen und im September wieder einsteigen? Oder doch wie in unserem virtuellen “Sell-in-Summer” Depot nur im August und September durch Abwesenheit vom Markt glänzen? Letzteres wird bei Wikipedia und diversen Finanzportalen propagiert. Oder doch besser im Mai und Juni aussteigen, wie ein Leser vor Jahren einmal vorgeschlagen hat?

Nachdem zuletzt auch in einem Kommentar die Frage aufkam, wie die “Sell-in-Summer” Strategie über einen längeren Zeitraum abgeschnitten hat, lag die Idee nahe, zu dem Thema etwas Höhlenforschung zu betreiben.

Grundlagen der Auswertung

Für die Auswertung wurde ein Zeitraum von 33 Jahren untersucht, exakt vom 02.01.1990 bis zum 31.12.2022.
In dem Zeitraum wurden jeweils 34 Käufe und 33 Verkäufe getätigt. Die unterschiedliche Anzahl ergibt sich daraus, dass im ersten Jahr zwei Käufe erfolgten, nämlich Anfang Januar und nach Ende der “Sommer”-Phase.
Aufgrund der identischen Anzahl von Transaktionen wurde auf die Einbeziehung von Transaktionskosten und ETF-Kosten verzichtet. In die Überlegung einbezogen wurden auch die Tatsachen, dass zum einen die Kosten für einen DAX-ETF meist sehr gering, zum anderen Transaktionskosten abhängig vom Broker und vom finanziellen Einsatz sind.
Als Startwert wurden 20.000€ definiert, wohl wissend, dass es 1990 noch keinen Euro gab.

Nach dem Motto “wennschon, dennschon” wurden alle möglichen Varianten zwischen Mai und September durchgespielt, was heißt:

  • Alle Monate einzeln von Mai bis September, also Verkauf der ETFs nur im Mai, nur im Juni usw.
  • Alle zusammenhängende Zwei-Monats-Zeiträume, also Verkauf der ETFs im Mai und Juni, im Juni und Juli usw.
  • Alle zusammenhängende Drei-Monats-Zeiträume (s.o.).
  • Alle zusammenhängende Vier-Monats-Zeiträume.
  • Gesamter Zeitraum von Mai bis Ende September.

Als Vergleichsbasis wurde noch die Buy-and-Hold Strategie mit aufgenommen, also das durchgängige Halten der ETFs.
Das Ergebnis sieht wie folgt aus:

Zeitraum Sell-in-Summer
Startwert Endwert Performance % Performance p.a. %
         
Buy-and-Hold 20.000,00 € 161.046,97 € 705,23% 6,53%
         
Mai 20.000,00 € 118.968,36 € 494,84% 5,55%
Juni 20.000,00 € 177.610,70 € 788,05% 6,84%
Juli 20.000,00 € 125.587,16 € 527,94% 5,73%
August 20.000,00 € 325.012,44 € 1525,06% 8,82%
September 20.000,00 € 349.305,80 € 1646,53% 9,05%
Mai+Juni 20.000,00 € 137.672,63 € 588,36% 6,02%
juni+Juli 20.000,00 € 145.332,05 € 626,66% 6,19%
juli+August 20.000,00 € 265.945,27 € 1229,73% 8,16%
August+September 20.000,00 € 739.695,22 € 3598,48% 11,56%
Mai-Juli 20.000,00 € 112.652,26 € 463,26% 5,38%
Juni-August 20.000,00 € 307.757,34 € 1438,79% 8,64%
Juli-September 20.000,00 € 605.264,35 € 2926,32% 10,89%
Mai-August 20.000,00 € 238.554,11 € 1092,77% 7,80%
Juni-September 20.000,00 € 700.424,36 € 3402,12% 11,38%
Mai-September 20.000,00 € 542.924,87 € 2614,62% 10,52%

Zwecks besserer Übersichtlichkeit hier noch einmal das Ergebnis sortiert nach der Performance:

Zeitraum Sell-in-Summer Startwert Endwert Performance % Performance p.a. %
         
August+September 20.000,00 € 739.695,22 € 3598,48% 11,56%
Juni-September 20.000,00 € 700.424,36 € 3402,12% 11,38%
Juli-September 20.000,00 € 605.264,35 € 2926,32% 10,89%
Mai-September 20.000,00 € 542.924,87 € 2614,62% 10,52%
September 20.000,00 € 349.305,80 € 1646,53% 9,05%
August 20.000,00 € 325.012,44 € 1525,06% 8,82%
Juni-August 20.000,00 € 307.757,34 € 1438,79% 8,64%
juli+August 20.000,00 € 265.945,27 € 1229,73% 8,16%
Mai-August 20.000,00 € 238.554,11 € 1092,77% 7,80%
Juni 20.000,00 € 177.610,70 € 788,05% 6,84%
Buy-and-Hold 20.000,00 € 161.046,97 € 705,23% 6,53%
juni+Juli 20.000,00 € 145.332,05 € 626,66% 6,19%
Mai+Juni 20.000,00 € 137.672,63 € 588,36% 6,02%
Juli 20.000,00 € 125.587,16 € 527,94% 5,73%
Mai 20.000,00 € 118.968,36 € 494,84% 5,55%
Mai-Juli 20.000,00 € 112.652,26 € 463,26% 5,38%

Tatsächlich schneidet die “Sell-in-Summer” Strategie mit der Abwesenheit vom Aktienmarkt in den Monaten August und September am Besten ab. Aber auch der Zeitraum Juni bis September erzielt annäherend gleich gute Resultate.
Mit Blick auf das Gesamtergebnis ist es nicht überraschend, dass bei den Einzelmonaten der September und der August die beste Performance liefert.

Auffällig ist aber auch, dass fünf der untersuchten Zeiträume weniger Rendite als eine Buy-and-Hold Strategie erzielen.

Legen die Ergebnisse uns Anlegern damit nahe, Ende Juli alles zu verkaufen, Anfang Oktober wieder einzusteigen und sich zeitnah über einen schönen Reibach freuen zu dürfen?
Schauen wir und die Rendite der einzelnen Jahre bei der “Sell-in-Summer” Strategie in den Monaten August und September an:

Jahr Gewinn in % Augut+September
Verlust in % August+September
     
1990   -30,44%
1991   -0,94%
1992   -9,23%
1993 6,24%  
1994   -6,28%
1995   -1,18%
1996 7,10%  
1997   -6,29%
1998   -24,22%
1999 0,94%  
2000   -5,46%
2001   -26,50%
2002   -25,16%
2003   -6,63%
2004   -0,07%
2005 3,23%  
2006 5,67%  
2007 3,66%  
2008   -10,01%
2009 6,43%  
2010 1,32%  
2011   -21,22%
2012 6,55%  
2013 3,85%  
2014 0,71%  
2015   -14,58%
2016 1,68%  
2017 5,86%  
2018   -4,36%
2019 1,96%  
2020 3,63%  
2021   -1,83%
2022   -10,16%
     
Anzahl Gewinne/Verluste 15 18
Durchscnittliche Rendite 3,92% -11,36%

Wir können feststellen, dass die Unterschiede bei der Anzahl der Kurssteigerungen in den Monaten August und September mit 15 gar nicht soweit entfernt ist von den 18 Fällen bei denen es in dem Zeitraum Kursrückschläge gab. Zudem kam es zweimal vor, dass drei Jahre hintereinander positive Kursentwicklungen zu Buche standen.
Also eine “schnell-reich-werden” Strategie haben wir nicht vor uns.

Andererseits fällt auf, dass die Kurssteigerungen nur gering ausgefallen sind. So waren es im besten Jahr gerade einmal 7,1% und im Schnitt 3,9%. Demgegenüber betrug der größte Verlust über nur zwei Monate 30,4%. Insgesamt fünfmal betrug das Minus mehr als 20%, so dass im Schnitt 11,4% Verlust entstanden.

Diese Fakten geben der Strategie ihre Daseinberechtigung, da sie in der Vergangenheit schon desöfteren vor größeren Verlusten bewahrt hat. Aber die Stärke zeigt sich erst bei einem längeren Anlagehorizont.

Meine persönliche Meinung ist, dass die Strategie als Depotbeimischung durchaus Sinn macht, zumal sie einfach und ohne großen Zeitaufwand umsetzbar ist. Aber das komplette Depot empfehle ich nicht damit umzusetzen, da hier einfach die Diversifizierung zu gering ist. Und ob die Strategie auch mit einem breiter gefächertem Index wirksam ist, lässt sich mit dieser Auswertung nicht beurteilen. 

 

 

4 Kommentare

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  1. Exit im Juni bis September ist das DD etwas kleiner, als Juli bis September, so mein Favorit!

    1. Den Drawdown habe ich bei der Untersuchung nicht beachtet, sondern nur die absoluten Zahlen.
      Hier liegt der Exit Juni bis September nur minimal hinter dem Exit August und September.
      Insofern spricht nichts gegen deinen Favoriten.

      Gruß
      Mathias

  2. wurden auch steuer themen berücksichtigt? Gewinn müssten ja jedesmal Ende Juli versteuert werden….

    1. Nein, Steuern werden in keinem der virtuellen Depots berücksichtigt.
      Das hat mehrere Gründe:
      – Steuergesetze ändern sich ständig.
      – Vorsteuerbeträge müssten bei ETFs berücksichtigt werden.
      – Es gibt Freibeträge, die der eine nutzen kann und u.U. keine Steuern zahlen muss, während der andere das voll versteuern muss.
      – Gleiches gilt dann für Dividenden.
      Ich fürchte, das würde ein Fass ohne Boden werden.

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